Wenn Sie heute den Finanz- und Wirtschaftsteil der Zeitung aufschlagen, wird Ihnen wahrscheinlich folgende Schlagzeile ins Auge fallen: „Längste Aktienmarktrallye der Geschichte“.
Gerade in Deutschland gehen bei diesen Nachrichten viele Investoren davon aus, dass nach einem so langen Anstieg doch irgendwann ein deutlicher Rückgang kommen muss. Wir fragen uns, ob es wirklich der längste sogenannte Bullenmarkt in der Historie ist oder ob die Medien wichtige Aspekte einfach außen vor gelassen haben.
Sämtliche Artikel zu diesem Thema beziehen sich auf den US-Aktienindex S&P 500. Schauen wir uns die Entwicklung an, ist es tatsächlich so, dass es seit dem 09. März 2009 auf Basis der jeweiligen Tagesschlusskurse keine Korrektur von mehr als 20% gab. Genau diese 20% sind das Kriterium für einen langfristig intakten Aufwärtstrend. Sollte in der Zwischenzeit einmal diese Marke gerissen werden, nimmt die Rekordjagt ein jähes Ende und die Zählung beginnt von vorn.
Bis hierhin stimmt also die Geschichte vom längsten Bullenmarkt aller Zeiten. Wer sich allerdings den S&P 500 genauer anschaut sieht, dass zwischen den Jahren 1987 und 2000 ziemlich genau 4494 Tage lagen, in denen das oben genannte Kriterium mit den 20% ebenfalls nicht gerissen wurde. Damit also aus der aktuellen Rallye der längste Bullenmarkt der Geschichte werden kann, braucht es nach unseren Berechnungen noch einen neuen Höchsstand zum Halbjahr 2021. Es fehlen also gut 3 Jahre, um die alte Marke einzustellen oder zu übertreffen.
Nun stellt man sich natürlich die berechtigte Frage, warum die Medien so etwas schreiben und warum auch viele sogenannte Finanzprofis diese These unterstützen. Ein Großteil wird sich wahrscheinlich einfach an die Geschichte herangehängt haben. Dieser Personenkreis könnte vielleicht argumentieren, dass es 1990 eine Korrektur von mehr als 20% gegeben hat. Auf jeweiliger Schlusskursbasis ist dies jedoch nicht korrekt. Wenn man auch die Höchst- und Tiefstkurse innerhalb der Handelstage berücksichtigen würde {und nicht nur auf die Schlusskurse schaut}, dann konnte man auch im Jahr 2011 eine Korrektur von mehr als 20% entdecken. Somit wäre der laufende Bullenmarkt erst seit dem 04. Oktober 2011 intakt und ganz weit entfernt von einem Allzeitrekord.
Der höchste Schlusskurs des laufenden Bullenmarktes datiert übrigens vom 26. Januar 2018 und liegt bei 2.872,87 Punkten. Wenn also der S&P 500 in den nächsten Wochen oder Monaten auf unter 2.298,27 Punkte fallen würde, dann hätten wir bereits am 26. Januar 2018 das Ende des Bullenmarktes gesehen. Ob wir uns also immer noch in einem positiven Trend befinden, ist davon abhängig, ob der Index als nächstes über 2.872,87 Punkte steigt oder unter 2.298,27 Punkte fällt und den Handelstag mit diesem Kurs beendet.
Sie merken schon, dass es absolut unsinnig ist, auf diesen Daten herumzureiten und sie als Basis für eine Anlageentscheidung heranzuziehen. Es liegt nun einmal in der Natur der Sache, dass an den Aktienmärkten immer wieder Schwankungen durch politische oder wirtschaftliche Ereignisse aufkommen. Warum allerdings ein Rückgang von 19% zu einer fundamental anderen Erkenntnis führen sollte, als eine Korrektur von 21%, erschließt sich Ihnen hoffentlich genauso wenig wie uns.
Lesen Sie also diese Berichte mit einem Augenzwinkern, aber leiten Sie daraus bitte nicht einen überfällige Korrektur an den Aktienmärkten ab.
Wir wünschen Ihnen auf diesem Wege ein schönes Wochenende!
Herzlichst
Ihr Stansch-Team