Wie finanziert man billionenschwere Hilfsprogramme?

Nicht erst seit heute wissen wir, dass die Corona-Pandemie nicht nur eine Gesundheitskrise ist. Den massiven Einbruch der Wirtschaft sollen staatliche Hilfsprogramme abfedern, die weltweit einen Wert von fünf Billionen US-Dollar {in Zahlen: 5.000.000.000.000} übersteigen dürften. Die von den Euro-Mitgliedsstaaten auferlegte Schuldenobergrenze ist de facto aufgehoben – auch wenn man politisch darüber noch nicht ausdrücklich gesprochen hat. Eine hohe Neuverschuldung zur Bekämpfung der Corona-Folgen gilt inzwischen als haushaltspolitisches Gebot. Die Finanzierung ist aber nicht mehr ausschließlich von den Kapitalmärkten abhängig – sondern Bestandteil der neuen Notenbankpolitik.

 

Ein Beispiel

Sie planen, ein Haus zu bauen und müssen dafür ein Kredit bei der Bank aufnehmen. Diese ist bereit, Ihnen 250.000 Euro zu leihen und nimmt dafür einen Zins. Ihr Architekt sagt aber, dass ein Haus nach Ihren Wünschen und Vorstellungen 1.000.000 Euro kostet. Eigenkapital von 750.000 Euro besitzen Sie nicht. In guter Erinnerung haben Sie noch die Aussage von Oma und Opa, die einspringen werden, wenn es Probleme gibt. Oma und Opa sind auf der großen Bühne der Weltwirtschaft die Notenbanken. Die Staaten können sich sicher sein, dass ihre Staatsanleihen am Ende gekauft werden und damit neue Schulden zur Refinanzierung des Haushalts aufgenommen werden.

 

Gigantische Defizite

Die in diesem Jahr zu erwartenden Haushaltsdefizite sprengen alle historischen Größenordnungen. Sie treiben die Staatsverschuldung weltweit auf Rekordniveaus. Für die USA rechnet der Internationale Währungsfonds {IWF} mit einem Anstieg der Staatsschuldenquote von 109 Prozent der Wirtschaftsleistung auf 141 Prozent. Die Situation in der Eurozone, in der die Staatsschuldenquote von 84 Prozent auf 105 Prozent klettert, wirkt dagegen auf den ersten Blick noch moderat. Allerdings klafft die Schere hier weit auseinander: Die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone, Italien, wird Ende 2020 einen Schuldenberg von voraussichtlich 166 Prozent des Bruttoinlandsprodukts {BIP} schultern müssen. In Deutschland steigt die Staatsverschuldung voraussichtlich um rund 17 Prozentpunkte auf 77 Prozent. Ein im Vergleich zwar niedriges Niveau, das aber in den nächsten Jahren durch die demographische Entwicklung und die abnehmende Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands weiter zunehmen dürfte.

 

Japan : die Blaupause

Wer ein Gefühl dafür bekommen möchte, wie steigende Staatsschulden auch über Jahrzehnte bewirtschaftet werden können, schaut nach Japan. Im „Land der aufgehenden Sonne“ hat man den Weg in neue Verschuldungsdimensionen schon vor über zwanzig Jahren angetreten. Die Tatsache, dass Japan mit seinem Schuldenberg ganz gut leben kann, hat einen einfachen Grund: Die durchschnittliche Zinslast aller ausstehenden japanischen Staatsanleihen lag Ende des ersten Halbjahrs bei nur 0,8 Prozent und dürfte in den kommenden Jahren weiter fallen. Die tatsächliche Zinslast für den Staat ist sogar noch geringer, da die japanische Zentralbank Bank of Japan rund die Hälfte der Staatsanleihen hält und ihre Zinseinnahmen dem Staat zurücküberweist.

Für die Länder der Eurozone sieht es nicht ganz so günstig aus. Italiens Staatsschulden haben zum Ende des zweiten Quartals einen Durchschnittskupon von 2,5 Prozent, in Deutschland lag er zu diesem Zeitpunkt bei 1,4 Prozent. Die EZB wird als Retter der letzten Instanz dabei helfen, die Zinslast der hochverschuldeten EU-Staaten mit Anleihekaufprogrammen sowie Null- und Minuszinsen weiter zu drücken. Und auch die US-Notenbank FED geht „all in“ – mit Nullzinsen und Anleihen-Kauf-Programmen.

 

Unendlichkeit

Ein Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik war schon vor der Corona-Krise kaum vorstellbar. Mit dem dramatischen Anstieg der Staatsschuldenquoten ist er es noch weniger. Ohne das „all in“ der Geld- und Fiskalpolitik wäre die Stabilität des Finanzsystems gefährdet und mit ihr die Stabilität des Geldwerts. Die Notenbanken sind in einer Zwickmühle. Ein kalter Entzug – sprich ein Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik – ist nicht mehr möglich, ohne die Staaten zu ruinieren. Die hohe Staatsverschuldung ist damit auch zum Problem der Notenbanken beziehungsweise ihrer Glaubwürdigkeit geworden, was langfristig auch zu einem Vertrauensverlust in das Geldsystem führen kann.

Oma und Opa müssen also weiterleben, damit Finanzierungen stabil bleiben. Vielleicht auch ein Grund, warum in Japan die Menschen alle sehr alt werden.

 

Herzlichst, Ihr Stansch-Team

 

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