Die Notenbank als Investor

Die US-Notenbank lässt ihre Wertpapierbestände Monat für Monat um viele Milliarden US-Dollarabschmelzen. Doch zuletzt hat sie das Tempo ihrer Bilanzreduktion gedrosselt. Was sind die Gründe?

Im April 2022 lag die Bilanzsumme der US-Notenbank [kurz: FED] bei knapp 9 Billionen US-Dollar – bis heute ein unerreichter Höchststand.

Denn kurz darauf begannen die US-Notenbanker, ihre Bilanzsumme als Reaktion auf historisch hohe Inflationsraten behutsam zu reduzieren. Ein Prozess, der mittlerweile immerhin zwei Jahre andauert.

Doch obwohl die Notenbankbilanz bislang „nur“ um gut 1,6 Billionen US-Dollar von diesem Rekordstand geschrumpft ist, soll ab Juni das Tempo beim Bilanzabbau gedrosselt werden.

Damit agiert die US-Notenbank mit Blick auf die Reduktion ihrer Wertpapierbestände also fortan weniger restriktiv, während die Leitzinsen weiterhin strikt in der anspruchsvollen Bandbreite von 5,25 bis 5,5 Prozent verharren.

Ist das nicht eine Widerspruch?

US-Notenbankchef Jerome Powell wollte diesen Schritt auf der Pressekonferenz nach der jüngsten Leitzinsentscheidung nicht überbewertet wissen. Natürlich stehe die Inflationsbekämpfung weiter im Mittelpunkt der US-Geldpolitik. Alles andere wäre angesichts einer Verbraucherpreisinflation von zuletzt 3,4 Prozent auch mehr als überraschend.

Aus Powells Sicht bleiben aber zunächst einmal die Leitzinsen das primäre Instrument zur Inflationsbekämpfung, und hier seien so lange keine Zinssenkungen zu erwarten, bis die US-Geldpolitiker eine höhere Sicherheit hinsichtlich der Erreichung des Zwei-Prozent-Inflationsziels hätten. Der Abbau der Wertpapierbestände spiele bei der Inflationsbekämpfung dagegen eine untergeordnete Rolle und sei an wesentliche Nebenbedingungen geknüpft – Turbulenzen an den Finanzmärkten sollen nämlich um jeden Preis vermieden werden.

Denn die „moderne“ Geldpolitik agiert in Zeiten erhöhter Inflationsraten nicht nur „datenabhängig“, indem sie das weitere zinsseitige Vorgehen behutsam auf Basis monatlich neuer Daten auslotet. Sie agiert auch immer ein Stück weit „marktabhängig“ – indem sie versucht, Risiken für die Finanzstabilität bestmöglich im Keim zu ersticken.

Und mit dem Schritt, das Tempo beim Abbau der US-Staatsanleihen zu drosseln, sendet die US-Notenbank ein wichtiges Signal hinsichtlich der Liquiditätsbereitstellung und damit der Stabilität im Finanzsystem. Denn schon jetzt wird deutlich, dass die Fed über viele Jahre zig Billionen US-Dollar an Überschussliquidität bereitstellen wird. Eine strategische Absicht, die die US-Notenbank bereits vor mehr als zwei Jahren verkündete und damit weiterhin einen großen Einfluss auf die Märkte hat.

Und sofern es in Ausnahmesituationen einmal ungemütlicher werden sollte, sodass die bestehende Überschussliquidität womöglich nicht ausreichen könnte, hätte die Fed jederzeit die Möglichkeit, mit großzügigen Kreditlinien zu intervenieren. Zuletzt geschehen im März 2023, als einige US-Kreditinstitute in Schieflage gerieten. Seinerzeit wurden bei der Fed binnen einer Woche 303 Milliarden US-Dollar an zusätzlicher Liquidität abgerufen.

Die Marschroute der US-Notenbank ist klar. Es gilt, mögliche Liquiditätsengpässe im Finanzsystem um jeden Preis zu vermeiden. Die Instrumente dazu hat sie allemal.

Herzlichst, Ihr Stansch-Team

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