Immer wieder veröffentlichen wir in unserem Newsblog Beiträge unseres Partners Flossbach von Storch – heute einen Artikel von Thomas Lehr zum Thema aktive/passive Geldanlage:
ETF – Warum eigentlich nicht?
Wieso die wichtige Frage nach einer aktiven oder passiven Geldanlage viel zu häufig am Anleger vorbei entschieden wird.
Wer von uns saß schon einmal in einem Taxi und hat sich über den Fahrer oder die Fahrerin geärgert? Entweder fuhr die Person zu langsam oder zu schnell, überholte zu oft oder gar nicht oder es war der Weg zum Ziel aus unserer Sicht zu lang – man selbst wäre ganz anders gefahren. Je größer die Überzeugung in die eigenen Fähigkeiten, desto größer ist der Ärger, für eine vermeintlich schlechte Dienstleistung Geld zahlen zu müssen.
Ganz anders geht es meiner Mutter. Sie fährt oft mit einem Taxi. Vor allem, wenn sie die Strecke nicht kennt oder nicht weiß, ob sie einen Parkplatz in unmittelbarer Nähe findet. Sie nimmt gerne ein Taxi, wenn sie sich unsicher fühlt. Nie geht es ihr darum, besonders schnell zu sein. Im Gegenteil – sie fühlt sich sicherer, wenn der Wagen nicht hektisch die Spuren wechselt, sondern die Fahrt „gemütlich“ ist. Sie zahlt neben dem Fahrpreis dann gerne auch ein Trinkgeld.
Der Kunde und sein Problem
Das Beispiel zeigt, dass Menschen einfach unterschiedlich ticken. Es ist daher sinnlos, die Frage – Selbst fahren oder ein Taxi nehmen? – allgemeingültig beantworten zu wollen. Denn zwei Faktoren, auf die es dabei eigentlich ankommt, sollte man dabei nicht ausblenden: den Kunden oder die Kundin und das Problem, das gelöst werden soll.
Das gilt für beinahe jede Dienstleistung. So mag es sein, dass es günstiger ist, das Wohnzimmer selbst zu streichen. Aber ich kann und ich will es womöglich nicht. Es mag auch sein, dass es günstiger ist, die Reifen selbst zu wechseln. Ich möchte das aber selbst nicht machen, weil mir die Lust und die Zeit dazu fehlen. Ähnlich ist es in der Geldanlage.
Aktive oder passive Anlagetypen
Daher ist es erstaunlich, wie selten bei der Frage – ETF oder aktiv gemanagte Anlage? – am Ende die Antwort zu lesen ist: Das hängt immer vom Anleger oder der Anlegerin ab! Dem passiven Kunden ist in der Regel bewusst, dass er die Dinge selbst nicht in die Hand nehmen kann oder will. Daher ist er grundsätzlich auch bereit, für ein aktives Vermögensmanagement zu zahlen. Viele schaffen es allerdings nicht einmal, diese erste aktive Entscheidung zu treffen, weswegen das Geld oft genug gar nicht angelegt wird.
Hingegen deutet allein die Frage – passiv oder aktiv gemanagter Fonds? – darauf hin, dass wir vor uns einen aktiven Anleger stehen haben, der oder die bereit ist, viele weitere Entscheidungen selbst zu treffen und wohl mit einer passiven Anlagevariante zufrieden wäre.
Wie oft vergeuden aber selbst erfahrene Beratungsprofis ihre Zeit, indem sie aktiven Anlegern die Vorzüge eines aktiv gemanagten Fonds oder einer Vermögensverwaltung näherbringen wollen! Zweimal „aktiv“ – das verträgt sich schon deswegen nicht, weil klar sein muss, wer das Steuer in der Hand hält.
Dazu kommt: Aktive Anleger sehen Geldanlage nicht selten als Hobby, nicht wenige sogar als Wettrennen. In vielen Fällen geht es also nicht darum, ein Ziel sicher zu erreichen. Man möchte vor allem schnell sein – und im besten Fall sogar noch schneller als der Rest.
Häufige Spurwechsel, abruptes Abbremsen und wieder Gas geben gehören ebenso dazu wie der ständige Blick auf Tacho und Stoppuhr: die Wertentwicklung steht im Mittelpunkt wie die PS beim Auto. Dabei mag das Urteil über die Wertentwicklung anderer oft äußerst kritisch ausfallen, während man milde und nachsichtig gegenüber der eigenen Performance bleibt. Weder der Taxifahrer sehnt sich nach so einem Fahrgast, noch wird der Fahrgast Freude an der Taxifahrt haben. Es passt einfach nicht.
Typ Wertentwicklung oder Schwankung
Eine zweite, ebenso wichtige Unterscheidung von Anlegertypen, die meist mit der ersten einhergeht, ist: Möchte jemand die Wertentwicklung maximieren oder Schwankungen minimieren?
Man kann natürlich an beiden Schrauben drehen, aber eben nicht bis in den Extrembereich. Es ist möglich, mit guter Sicherheit eine gute Wertentwicklung zu erzielen – aber nicht mit der höchsten Sicherheit die beste Wertentwicklung. So kann, wer in ein Taxi steigt, verlangen, dass der Fahrer eine Verfolgung aufnimmt und die vor ihm fahrenden Wagen ein- und überholt (zumindest insoweit, wie gesetzliche Geschwindigkeitsgrenzen und Verkehrsregeln eingehalten werden können).
„Wem es wichtiger ist, ohne Stress und waghalsige Manöver sicher sein Ziel zu erreichen, für den kann die Frage, wie schnell das Ziel erreicht wurde, nicht das entscheidende Kriterium sein.“
Die Chancen, dieses Ziel zu erreichen, verschlechtern sich aber, wenn man dem Fahrer gleichzeitig zuruft, er möge bitte vorsichtiger fahren als die, die es zu überholen gilt. Das muss jedem klar sein, der von seinem Fondsmanager oder Vermögensverwalter erwartet, die Wertentwicklung eines Vergleichsindex zu schlagen.
Ein guter Freund erklärte mir neulich, dass Geschwindigkeit und Sicherheit sich nicht ausschließen müssen. Es gäbe schließlich genügend gute (Renn-)Fahrer, die schnell und sicher fahren.
Doch dabei vergisst er zwei Komponenten: das Gelände und den Verkehr. Der Kapitalmarkt ist selten eine asphaltierte Strecke, sondern oft genug unwegsames Gelände. Der Untergrund kann sich von jetzt auf gleich ändern. Unvermittelt tauchen Hindernisse auf. Besonders tückisch aber ist der Gegenverkehr. Nimmt er zu, steigt nicht nur die Gefahr eines Unfalls. (Fatal wird es, wenn man glaubt, selbst der Gegenverkehr zu sein und dreht.)
Zufrieden und langfristig erfolgreich
Aktiv oder passiv? – Regelmäßig wird diese Frage auf Themen wie Kosten oder Wertentwicklung reduziert. Dabei ist der Anlegertyp viel entscheidender. Die Mehrheit der Anlegerinnen und Anleger sucht jemanden, der sich um sein Vermögen kümmert und ist auch bereit, dafür Geld zu zahlen. Nicht nur die Vielzahl an Lösungen, in die trotz schlechter Wertentwicklung viel Geld fließt, zeigt das. Wer aber zur Gruppe jener zählt, die davon überzeugt ist, es selbst besser zu können, wird mit der Dienstleistung von Portfoliomanagern wahrscheinlich selbst dann nicht zufrieden sein, wenn sie kostenlos wäre.
Aber was ist mit der Wertentwicklung? Warum sollte man schließlich sonst anlegen? Aber Vorsicht! Oft genug bringen sich Anlegerinnen und Anleger um ihren langfristigen Erfolg, weil sie auf dem Weg dorthin meist zur Unzeit aussteigen.
Die letzten Jahre waren voll von solchen Momenten. Ich meine damit nicht einmal die scharfen Korrekturen. Beinahe noch öfter ist es die Verlockung, Gewinne mitzunehmen oder drohenden Gefahren auszuweichen. Hier und da mag so ein Manöver gelingen, aber oft genug ist für langfristigen Anlageerfolg die alles entscheidende Frage „Wie schaffe ich es dabeizubleiben?“.
Die Antwort darauf fällt höchst unterschiedlich aus. Egal ob Festgeld, ein gut gemanagter Fonds oder ein Portfolio aus selbstausgewählten Aktien und ETFs – die weit überwiegende Zahl aller Anleger strebt keine mathematisch optimale Strategie an.
Viel erfolgversprechender ist eine Strategie, die einen nachts ruhig schlafen lässt. Genau das erhöht die Chance, langfristig dabeizubleiben und genau darauf kommt es bei der Geldanlage an.
Wir wünschen Ihnen ein schönes Wochenende!
Herzlichst, Ihr Stansch-Team