Zum Thema Inflation haben wir uns an dieser Stelle in den vergangenen Monaten bereits mehrfach geäußert. Wir gehen davon aus, dass sie uns noch lange beschäftigen wird. Im Umkehrschluss heißt das, dass die Zinsen so bald nicht fallen dürften. Doch welche Auswirkungen hat dies auf den Kapitalmarkt?
Außergewöhnlich in den vergangenen Monaten war der starke Anstieg der Renditen langlaufender Anleihen, denn normalerweise fallen diese, wenn sich die Konjunkturaussichten eintrüben. Dies scheint damit zusammenzuhängen, dass immer mehr Anleger erwarten, dass die Inflationsraten durch einen Abschwung nicht zwingend sinken. Daher werden für länger laufende Papiere höhere Zinsen verlangt.
Anleihen sind insofern auch wieder interessant, weil sich deren Ertrags-Risiko-Verhältnis deutlich verbessert hat. Dies betrifft insbesondere US-Staatspapiere. Die Renditen 10jähriger Anleihen liegen hier derzeit bei 4,6% – so hoch waren sie seit fast 15 Jahren nicht mehr. Bei der Variante mit Inflationsschutz erhält man mit 2,2% mittlerweile sogar eine attraktive Realverzinsung. Wenn man davon ausgeht, dass eine nachhaltige US-Dollarschwäche eher unwahrscheinlich ist, spielt das Währungsrisiko eine eher untergeordnete Rolle: Im Vergleich zur EZB verfügt die Fed über einen deutlich größeren Spielraum im Kampf gegen die Inflation – zum Beispiel muss sie keine Rücksicht auf die unterschiedlichen Belange verschiedener Länder einer Gemeinschaftswährung nehmen. Darüber hinaus besteht im Euroraum eine deutlich größere Abhängigkeit von Rohstoff- und Energieimporten und last but not least spricht sogar die demografische Entwicklung in Europa eher für eine strukturell höhere Inflation als in den USA.
Auf den Aktienmarkt wirkt sich das gestiegene Zinsniveau gleich doppelt aus: einerseits drückt der höhere Zins die Bewertungen bzw. den Gewinn-Multiplikater, andererseits schmälern steigende Zinsen bei Unternehmen mit hoher Verschuldung den Gewinn und wirken sich so doppelt negativ auf die Aktienkurse aus. Bemerkbar macht sich dieser Effekt jedoch erst im Laufe der Zeit – wenn die alten Kredite mit niedriger Verzinsung durch höherverzinsliche Schulden ersetzt werden mussten.
Das heißt jedoch nicht, dass man aktuell die Finger von Aktien lassen sollte. Wenn man die Kaufkraft eines Vermögens langfristig erhalten und darüber hinaus attraktive Renditen erzielen will, kommt man als Investor um den Aktienmarkt nicht herum – daran hat sich auch in der aktuellen Situation und trotz drohender Rezession nichts geändert!
Wir müssen leider davon ausgehen, dass eine Rezession bevorsteht – wann genau sie eintritt, welche Bereiche sie betrifft und wie stark die Wirtschaft einbrechen wird, kann niemand vorhersagen. Letzten Endes ist dies auch gar nicht entscheidend – auch wenn dies oft behauptet wird. Stattdessen sollte man zum Beispiel einmal in den Badezimmerschrank schauen: sämtliche Produkte darin, ob Zahnpasta, Toilettenpapier, Cremes und auch Putzmittel – all dies werden die Verbraucher auch in den kommenden Monaten kaufen – egal ob sich die Wirtschaft deutlich abkühlt oder nicht.
Entscheidend für eine Aktienanlage sind vielmehr die Qualität und das Geschäftsmodell der Unternehmen, in die investiert wird und wie abhängig diese von Konjunkturschwankungen sind. Entscheidend ist immer das jeweilige Unternehmen, dessen Ertragsstabilität – wie robust und verlässlich sind die Unternehmensgewinne – und das Wachstumspotential. Auch Faktoren wie Abhängigkeit von Konjunkturzyklen, technischem Wandel oder anderer externer Faktoren, die nicht beeinflusst werden können sowie die Höhe der Verschuldung und ob das Unternehmen die gestiegenen Preise an seine Kunden weitergeben kann, sollten berücksichtigt werden.
Der letzte Kursrückgang am Aktienmarkt im vergangenen Oktober ist darauf zurückzuführen, dass sich die Märkte aktuell noch in einer Konsolidierungsphase befinden, die noch eine Weile andauern könnte, denn das gestiegene Zinsniveau muss erst einmal verdaut werden. Sobald der Zyklus der Zinserhöhungen abgeschlossen ist, wird auch dieser Prozess enden.
Fazit
Bei einigen Qualitätsaktien ist die Anpassung bereits sehr weit fortgeschritten. Das Chance-Risiko-Verhältnis hat sich hier deutlich verbessert, sodass Käufe oder Aufstockungen unseres Erachtens schon jetzt sinnvoll erscheinen. In anderen Fällen müssen die Bewertungen noch weiter zurückgehen, um die Titel auf die Kaufliste zu setzen. Naturgemäß macht Market-Timing keinen Sinn, wird man als Investor nie den Boden der Korrektur treffen. Deshalb ist schrittweises Investieren sinnvoll – zum Beispiel über ein regelmäßiges Sparprogramm in ausgewählte Aktienfonds. Qualitätsaktien haben die angenehme Eingenschaft, dass ein Bewertungsrückgang langfristig durch steigende Unternehmensgewinne überkompensiert wird. Der geduldige Anleger wird also belohnt. Gute Unternehmen wachsen mit der Inflation, gute Anleihen nicht.
Wir wünschen Ihnen ein schönes Wochenende!
Herzlichst, Ihr Stansch-Team