Vor über 20 Jahren war es das letzte Mal, dass der Euro/US-Dollar-Wechselkurs unter die Marke von 1 Euro gefallen ist. Einfach gesagt: Während man vor 2 Jahren noch 1,20 US-Dollar für den Euro bekommen hat, erhält man heute 0,99 US-Dollar. Dafür gibt es Gründe und es hat auch eine Bedeutung bei der Kapitalanlage.
Wir haben an dieser Stelle oft über den Euro geschrieben. Sehr häufig darüber, dass die Eurozone kein idealer Währungsraum ist, weil sie sich aus grundverschiedenen Volkswirtschaften zu einer Währungsgemeinschaft zusammensetzt. Mit Griechenland fing das Problem an – mittlerweile sind viele Länder hinzugekommen und nur durch die Eingriffe der Europäischen Zentralbank {kurz: EZB} wird das Konstrukt am Leben gehalten. Heute wissen wir, dass sich die Fehler bei der Gründung nicht einfach so beheben lassen.
Aufgrund der Verschiedenheit seiner Mitglieder ist die EZB gezwungen, sich an den ökonomisch Schwächsten zu orientieren – an denen, die gemessen an ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit am höchsten verschuldet sind. Sie kann also in diesen Tagen den Leitzins nicht kräftig nach oben ziehen, um die Inflation zurückzudrängen, obwohl es eigentlich das vermeintlich effektivste Mittel wäre – eben weil die hochverschuldeten Mitglieder andernfalls unter der Last ihrer Schulden zusammenbrächen. Anders ausgedrückt: Der Spielraum der EZB ist deutlich geringer als der der US-Notenbank Fed. In Amerika haben wir nämlich nicht das Problem von vielen einzelnen Volkswirtschaften und nationalen Notenbanken.
Die USA konnten an der Zinsschraube schon deutlich mehr drehen und die entstandene Zinsdifferenz zwischen Euro- und US-Dollarraum ist derzeit eine Erklärung für die relative Attraktivität der USA gegenüber Europa bzw. des US-Dollar gegenüber dem Euro. Es gibt aber noch eine weitere Erklärung; denn auch die vermeintlich starken Euro-Mitglieder, insbesondere wir in Deutschland als selbsternannte Exportweltmeister, bekommen durch den Krieg in der Ukraine deutliche Probleme in ihrer Wirtschaft. Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren in fatale Abhängigkeiten begeben. Sei es zu Russland, wenn es um die Energieversorgung ging, oder zu China bei der Erschließung des chinesischen Marktes für deutsche Exportgüter. Dass wirtschaftliche Interessen und knallharte Geopolitik zwei Seiten derselben Medaille sind, wollten die Vertreter deutscher Regierungen zu keinem Zeitpunkt wahrhaben. In Wladimir Putin wurde der „lupenreine Demokrat“ gesehen, in Xi Jinping der freundlich lächelnde, verlässliche Handelspartner aus dem Reich der Mitte. Geschäftsbeziehungen „auf Augenhöhe“ – in Friedenszeiten mag das leidlich funktionieren. Wenn dann aber die geopolitische Perspektive in den Fokus gerückt wird, kommt es zum Schwur.
Was würde mit dem Exportweltmeister passieren, wenn der lupenreine Demokrat den Gashahn endgültig zudrehte? Und was, wenn Xi in Taiwan einen Krieg beginnt? Dann müsste man ähnlich wie bei Russland alle Handelsverflechtungen mit China kappen. Und das wäre deutlich schmerzhafter als bei Russland. Diese Abhängigkeiten werden Investoren derzeit auf dem Präsentierteller gereicht und von ihnen als strukturelle Schwäche des Euro wahrgenommen – neben den viel zitierten Geburtsfehlern.
Aber was bedeutet das für die Anlegerinnen und Anleger?
Langfristig orientierte Europäer sollten die Schwächen ihrer Heimat-Währung in der Anlagestrategie berücksichtigen und die entsprechenden Schlüsse daraus ziehen. Es ist wichtig, das Vermögen nicht nur auf verschiedene Anlageklassen aufzuteilen, sondern eben auch auf verschiedene Währungsräume – so wie das früher die Italiener mit der Lira getan haben. Die waren heilfroh, neben der heimischen Währung beispielsweise noch D-Mark, US-Dollar oder Schweizer Franken zu besitzen, um die Schwäche der eigenen Währung beim Investieren aktiv für sich nutzen zu können.
Herzlichst, Ihr Stansch-Team